Illustration mit verschiedenen Elementen: Neugeborenes im Inkubator, nach unten schauende Frau auf dessen Schulter die Hände von zwei Menschen liegen, Ein Fragezeichen, welches den Kopf der Frau umrahmt, Familienfoto

Mukoviszidose: Die Ungewissheit vor der Diagnose

Eigentlich sollten die Stunden und Tage nach der Geburt eines Kindes zu den glücklichsten Momenten im Leben von Eltern gehören. Doch wie nah Glück und Angst beieinander liegen können, zeigt sich, wenn plötzlich „etwas nicht in Ordnung“ ist. Diese Erfahrung machten Anne Kalberlah-Braumann und ihr Mann, als ihre zweite Tochter Ada zur Welt kam.

Erstellung des Artikels: 2024

„Ada war gerade zwei Tage alt, da habe ich in der Nacht gemerkt, dass etwas nicht stimmte“, erinnert sich Anne Kalberlah-Braumann. „Sie hat nur geweint, ihr Bauch grummelte. Die Nachtschwester meinte, das könne nicht sein, so kleine Kinder hätten noch keine Bauchschmerzen.“ Am nächsten Morgen stand ein Ultraschall für Ada an. „Da teilte uns die Ärztin mit, der Darm sehe anormal aus. Mehrfach wurde versucht, Ada einen Einlauf zu verabreichen – vergeblich.“

Über Anne

Für die Mutter einer sechsjährigen Tochter, die nicht an Mukoviszidose erkrankt ist, begann mit der Geburt ihrer zweiten Tochter Ada eine Odyssee. Das kleine Mädchen ist inzwischen drei Jahre alt.

Anne hat die Zeit zwischen der Geburt ihrer jüngsten Tochter und Bestätigung der Diagnose als die schwerste Zeit ihres Lebens in Erinnerung. Großen Halt und Unterstützung fanden sie und ihre Familie nicht nur bei betreuenden Ärztinnen und Ärzten, sondern besonders auch in der Selbsthilfe. Aus dem Erfahrungsaustausch mit anderen Eltern und Betroffenen haben sich inzwischen tiefe Freundschaften entwickelt.

Große Sorge nur wenige Tage nach der Geburt

Die Ärztin kehrte zur jungen Mutter zurück und klärte sie darüber auf, dass ihr Kind in die Uniklinik verlegt werden müsse. Anne durfte noch kurz zu ihrer kleinen Tochter, bevor diese abgeholt wurde. „Ich selbst konnte die Klinik noch nicht verlassen, weil ich gerade erst einen zweiten Kaiserschnitt hinter mir hatte. Mein Mann ist nachmittags zu ihr gefahren, da war ihr Bauch schon enorm gebläht.“

Gleich am nächsten Tag wurde Ada operiert und erhielt vorübergehend einen doppelläufigen künstlichen Darmausgang. Dabei wird neben dem künstlichen Darmausgang auch ein Zugang zum unteren Darmabschnitt geformt. Damit dieser nicht abstirbt und eine spätere Rückverlegung möglich bleibt, muss der untere Darmabschnitt immer wieder per Spritze und Schlauch mit aufgefangenem Stuhl gespült werden.

Um bei ihrem Kind sein zu können, entließ sich Anne schließlich auf eigenen Wunsch aus der Geburtsklinik. „Wir durften Ada nach der OP auf der Neugeborenen-Intensivstation der Uniklinik besuchen. Ich konnte mir bis dahin unter einem künstlichen Darmausgang bei Babys überhaupt nichts vorstellen.“

Das Neugeborenen-Screening bringt endlich Gewissheit

Währenddessen wartete die Familie aber noch auf ein anderes Ergebnis, erzählt Anne: „Am zweiten Lebenstag wird bei Babys ja an der Ferse Blut für das Neugeborenen-Screening abgenommen.“ Seit 2016 gehört in Deutschland flächendeckend auch der Test auf zystische Fibrose dazu. Bei dieser genetisch bedingten, chronischen Stoffwechselerkrankung ist eine Diagnose zum frühestmöglichen Zeitpunkt enorm wichtig. Je eher mit der Therapie begonnen werden kann, desto besser. Der Test schlug bei Ada an.

Mehr über das Neugeborenen-Screening erfahren

Um Betroffenen eine frühe Behandlung zu ermöglichen, können Kinder in Deutschland im Rahmen des erweiterten Neugeborenen-Screenings auf Mukoviszidose untersucht werden. Doch mit dem Screening sind für junge Familien auch viele Fragen verbunden, u.a.: Wie funktioniert das Neugeborenen-Screening und was bedeutet es, wenn das Ergebnis auffällig ist? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert CFSource.

„Ich hatte Ada auf dem Arm, als die Ärztin zu uns ans Krankenbett kam und uns die Diagnose mitteilte. Alles verschwamm vor meinen Augen. Ich wusste nicht, was Mukoviszidose bedeutet. Ich hatte zwar schon davon gehört, das aber nur auf die Lunge bezogen.“ In einem Aufklärungsgespräch im Krankenhaus erfuhren die Eltern, was für einen Einfluss die Erkrankung auf das Leben von kleinen CF-Patientinnen und -Patienten hat. „Der Facharzt aus der Ambulanz versicherte uns, dass es inzwischen gute Behandlungsmöglichkeiten gebe. Sein Team werde uns nach der Entlassung aus dem Krankenhaus betreuen, sich um uns kümmern und uns auffangen.“

Endlich zu wissen, was es ist, war für uns eine Erleichterung – so seltsam das klingt. Anne

Ende der Ungewissheit

„Endlich die Gewissheit zu haben, welche Erkrankung unsere Tochter hat, war für uns eine Erleichterung – so seltsam das klingt“, sagt Anne heute rückblickend. „Mukoviszidose: Damit konnten wir arbeiten. Wir wollten informiert sein, wo wir stehen und wie wir damit umgehen müssen.“ Die Tage bis zur Diagnose seien dagegen eine Qual gewesen. „Wir hatten keine Vorstellung davon, es war ja nur der Darm betroffen. Die Ärzte hatten auch keine Vermutung geäußert. Es hieß immer nur, dass Proben nach Köln geschickt worden seien und dass es noch eine Weile dauern könnte.“

Die jungen Eltern machten eine sehr schwierige Zeit durch, konnten das Ausmaß nicht erahnen, „was das bedeutet, ob es weggeht oder bleibt.“ Ada lag insgesamt sechs Wochen auf der Intensivstation der Uniklinik. „Darüber gab es eine Etage mit Elternzimmern, wo ich jederzeit zu ihr durfte, um sie zu füttern, zu wickeln und für sie da zu sein. So war der Kontakt zu ihr gewährleistet“, erzählt sie.

Dennoch habe sie diese Zeit als sehr belastend empfunden, erinnert sich Anne. „Überlebt habe ich durch Freunde, meinen Mann, meine Mama und meine Schwester. Die sind jedes Wochenende mit meiner großen Tochter auf den Spielplatz gekommen.“ Ihr Mann habe sich in der Zeit um Ada gekümmert. „So hatte ich auch mal etwas Freiraum für unsere große Tochter.“ Nach der Diagnose konnte die Behandlung direkt beginnen, unter anderem bekam das Mädchen Verdauungsenzyme. „Von da an ging es auch mit dem Gewicht bergauf und einige Tage später durften wir nach Hause.“

Mukoviszidose: Damit konnten wir arbeiten. Wir wollten wissen, wo wir stehen und wie wir damit umgehen müssen. Anne

Achterbahn der Gefühle

Die Unsicherheit habe sie als größte Belastung empfunden, sagt Adas Mutter heute. „Es war ein Auf und Ab der Gefühle. Und wir wussten so vieles nicht: Um was müssen wir uns kümmern? Was kommt da auf uns zu? Brauchen wir für Ada einen speziellen Kindergarten? Bekommt sie eine Pflegestufe? Wie ist es mit Schwerbehinderung? Das war schon eine schwierige Zeit.“ Als sehr hilfreich habe sie den Sozialdienst im Krankenhaus erlebt, betont Anne. „Der hat sich sehr gut um uns gekümmert.“

Es sei erstmal eine Erleichterung gewesen, in der Ambulanzklinik eine Anlaufstelle zu haben, für die regelmäßigen Kontrollen, aber auch für auftretende Fragen. „Wir haben uns damit ein bisschen geerdet und aufgefangen gefühlt, das war schon sehr hilfreich. Die Informationen sind dann nach und nach geflossen, man konnte ja gar nicht gleich aufnehmen, was das alles bedeutet.“

In der Ambulanzklinik werden Ada und ihre Familie noch immer betreut, sagt Anne. „Hier haben wir auch Kontakt zur CF-Selbsthilfe Braunschweig e.V. bekommen.“ Die gibt in den CF-Ambulanzen in Hannover und Magdeburg an frischgebackene Eltern sogenannte Hoffnungssäckchen ab: kleine Stoffbeutel mit dem Logo der Selbsthilfegruppe, die Infomaterial, ein Lätzchen und einen Ball enthalten – als Symbole für Ernährung und Sport. „Dieses Säckchen haben uns die Schwestern in der Ambulanz übergeben. Wir haben es zunächst ein paar Tage liegenlassen und uns über Instagram ein Bild von der Gruppe gemacht. Ich habe Kontakt aufgenommen und das war total super.“

Familie findet Halt in der Selbsthilfe

Die Selbsthilfegruppe sei das Beste, was ihr und ihrer Familie passieren konnte, betont Anne: „Der Austausch mit anderen Muttis, mit Betroffenen, mit Älteren, mit Jüngeren – es war wirklich toll. Ich sage immer, die Selbsthilfe hat uns gefunden und darüber sind wir sehr glücklich.“ Hier seien auch schon echte Freundschaften entstanden, sagt Anne. Und besonders hilfreich sei es oft, von den Erfahrungen anderer Erkrankter zu profitieren. „Die sehen ganz viele Dinge viel gelassener als wir Eltern es tun.“

Ich sage immer, die Selbsthilfe hat uns gefunden und darüber sind wir sehr glücklich. Anne

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