
Auffälliger Befund beim Neugeborenenscreening: Wie geht es weiter?
Gerade beim ersten Kind ist alles neu und die erste Zeit mit Baby von diffusen Ängsten begleitet. Es dauert einige Zeit, bis junge Familien im Alltag ankommen. Routineuntersuchungen werden absolviert. In den ersten Lebenstagen findet außerdem eine Blutentnahme zur Früherkennung verschiedener Krankheiten statt, die so selten sind, dass Laien oft nicht einmal die Namen beziehungsweise ihre Ausprägung kennen. Vielleicht beim Pieksen ein kurzer Gedanke daran: Was, wenn tatsächlich etwas gefunden wird?
Im Februar 2000 wurde unser Sohn Julian geboren – er kam auf dem Wege einer Wassergeburt sehr entspannt auf die Welt. Julian ist auch heute noch ein zumeist unheimlich gelassener Mensch. Seine Gelassenheit als Baby hat uns damals sehr geholfen. Und wir hatten Glück. Zwar war zu der Zeit Mukoviszidose noch nicht Bestandteil des Neugeborenenscreenings, doch in der Geburtsklinik lief ein Pilotprojekt, in dem bereits in einer Frühform auf Mukoviszidose getestet werden konnte. Der erste Befund war auffällig. Uns wurde mitgeteilt, dass es sich um Mukoviszidose handeln könnte. Die Ungewissheit der darauffolgenden zwei bis drei Wochen war furchtbar, denn wir waren komplett auf uns alleine gestellt. Diese Unsicherheit auszuhalten, war sehr schwierig für uns.
Obwohl ich selbst aus einer Medizinerfamilie stamme, hatte ich noch nie von Mukoviszidose gehört. Und schon gar nicht habe ich auch nur geahnt, dass ich oder meine Frau Träger der Krankheit sein könnten. Ich habe mir alle Informationen zusammengesucht, die ich bekommen konnte. Die Angst, dass Julian krank sein könnte, habe ich mit mir selbst ausgemacht. Julian zeigte sehr früh, dass irgendetwas anders ist, als bei anderen Neugeborenen. Er hat regelrecht um sein Leben gefuttert und unglaubliche Mengen Milch getrunken. Dadurch hatten wir eine Ahnung, dass etwas nicht stimmen könnte.
Als sich der auffällige Erstbefund bestätigt hatte und wir die Diagnose bekamen, hatten wir endlich wieder Boden unter den Füßen und konnten nach vorne schauen. Wir haben diese Gewissheit gebraucht. Von da an hatten wir keine Panik mehr. Wir hatten schnell ein sehr gutes Bauchgefühl und die Überzeugung, dass wir einen guten Weg für ihn und mit ihm finden werden. Das hatte auch damit zu tun, dass wir bei unserem Kind eine enorme Kraft gesehen haben – auch weil er so viel gegessen und gut zugenommen hatte. Auch seine Gelassenheit färbte irgendwie auf uns ab.

Kai-Roland Heidenreich, Vater eines Sohnes mit CF
Neugeborenenscreening – Früherkennung in den ersten Lebenstagen [1, 2, 3]
Nur in einem von fünf auffälligen Neugeborenenscreenings bestätigt sich der Verdacht auf Mukoviszidose.

Früherkennung von Mukoviszidose im Rahmen des Neugeborenenscreenings
Die Untersuchung findet in der Regel am zweiten oder dritten Lebenstag statt. Dabei werden nur wenige Tropfen Blut des Neugeborenen benötigt, um damit einige kleine, markierte Kreise auf einer vorgefertigte Filterpapierkarte zu durchtränken. Die Blutproben werden dann zeitnah in einem Screeninglabor mit speziellen, sehr empfindlichen Untersuchungsmethoden ausgewertet. Für Hinweise auf Mukoviszidose werden die Blutproben einem bis zu 3-stufigen Testverfahren unterzogen. Dabei wird das Blut auf das Vorhandensein bestimmter Eiweiße untersucht (IRT = Immunreaktives Trypsin und PAP = Pankreatitis assoziiertes Protein). Wenn dies nicht eindeutig ist, wird ein Test auf einige Genveränderungen durchgeführt. Das Screening gilt als auffällig, wenn der IRT-Wert besonders hoch ist oder sowohl IRT als auch PAP erhöht sind und mindestens eine der gesuchten Genveränderung gefunden wurde.
Durch den Schweißtest kann ein erhöhter Salzgehalt im Schweiß nachgewiesen werden. Der Test kann ab der 48. Lebensstunde durchgeführt werden und ist – auch für Säuglinge – ungefährlich und schmerzfrei. Zunächst wird der Arzneistoff Pilocarpin auf den Unterarm (bei Säuglingen alternativ auch auf den Oberschenkel) aufgetragen, um die Schweißproduktion anzuregen. Der Schweiß wird dann für 30 Minuten gesammelt. In der gewonnenen Schweißprobe wird schließlich der Chloridgehalt gemessen. Werte über 60 mmol/l bestätigen den Verdacht auf Mukoviszidose.
Der Schweißtest sollte ausschließlich von erfahrenem Personal durchgeführt werden. Dies ist in zertifizierten Mukoviszidose-Einrichtungen gewährleistet.

Diplom-Psychologin Pia Maria Schäfer leitet die Abteilung Psychologie, Ergo- und Musiktherapie an der Fachklinik Satteldüne in Nebel auf Amrum. Im Rahmen ihrer Arbeit begleitet sie viele Familien, junge und erwachsene Patienten. Viele Patienten kennt Frau Schäfer von klein auf.
Vielen Eltern ist der Schock direkt nach der Diagnose auch Jahre später noch sehr präsent: Ist es denn überhaupt möglich, diesen zu überwinden?
Welchen emotionalen Herausforderungen begegnen betroffene Eltern noch?
Als sich der auffällige Erstbefund bestätigt hatte und wir die Diagnose bekamen, hatten wir endlich wieder Boden unter den Füßen und konnten nach vorne schauen.
Kai-Roland Heidenreich, Vater eines Sohnes mit CF
Wie lange benötigen Eltern, um sich mit den Herausforderungen zu arrangieren, die eine chronische Krankheit wie Mukoviszidose mit sich bringt?
Gibt es etwas, was Eltern in dieser Situation helfen kann? Was raten Sie?

- Im Internet auf verlässlichen Seiten informieren, z. B. unter www.muko.info, dem Angebot vom Mukoviszidose e.V.
- Der Austausch mit anderen betroffenen Eltern kann helfen. Manche Eltern wollen das jedoch unbedingt vermeiden und einen eigenen Weg im Umgang mit der Krankheit finden. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch.
- Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. In so einer Situation ist es nicht ungewöhnlich, in eine Depression abzurutschen. Mit der Diagnose sind viele Lebensträume geplatzt und das Urvertrauen in das Leben ist erst einmal erschüttert.
- Versuchen Sie, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Die Lebensträume der Eltern, die Sie vor der Geburt hatten, können dennoch erfüllbar sein, es ist nicht alles vorbei. Es wird nur anders: Sie müssen vielleicht andere Lösungen finden, als Sie zuvor dachten.
- Mukoviszidose ist eine chronische Krankheit, mit der Betroffene auch über längere Phasen symptomfrei leben können. Auch die Lebenserwartung hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.
CFSource.de: die Informationsplattform mit weiterem Hintergrundwissen für CF-Patienten und Angehörige
Die Diagnose „Mukoviszidose“ ist für viele Eltern zunächst ein Schock. Doch je früher diese gestellt und mit der Behandlung begonnen wird, desto besser ist die Langzeitprognose für Betroffene. Hintergrundwissen gibt es auf CFsource.de.
Wann brauchen Eltern selbst professionelle, psychologische Hilfe? Wo können sie diese finden?
Wie kann die künftige Organisation des Alltags gemeistert werden und wo können Eltern Hilfe dabei bekommen?
Je kränker man das Kind wahrnimmt, je furchtbarer man dieses Schicksal erlebt, desto unwahrscheinlicher ist die Wiederherstellung eines ausgeglichenen Alltags.
Pia Maria Schäfer