Kind mit CF im Kindergarten

Herausforderung Kindergarten? Das muss nicht sein

Die Suche nach einem Kindergartenplatz ist schon eine Herausforderung. Die Diagnose Mukoviszidose erschwert die Suche für viele Eltern zusätzlich. Ganz anders bei Marlon (5) und seiner Familie. Seine Eltern Anna und Thorsten über ihre Suche, Absprachen mit den Erzieherinnen, die Akzeptanz anderer und warum sie das Glück hatten, schnell einen Platz für ihren Sprössling zu bekommen.

Erstellung des Artikels: 2019

Marlon geht in den Kindergarten, in dem auch schon seine Geschwister waren. „Ansonsten wäre die Suche wahrscheinlich aufwändiger geworden. Aber so war das Vertrauen von beiden Seiten aus bereits da“, sagt Anna. Die sehr positive Reaktion der Kindergarten-Mitarbeiterinnen hat sie und Ehemann Thorsten dann aber doch überrascht: Marlons CF war überhaupt kein Thema.

 

Wir wollen Marlon vermitteln, dass die Mukoviszidose sicherlich nicht auf seinem Lebenswunschzettel stand – aber, dass er das Beste daraus machen kann. Thorsten, Marlons Vater

„In den ersten gemeinsamen Gesprächen mit der Kindergartenleitung haben wir entschieden, dass wir uns alle an einen Tisch setzen und offen über die Erkrankung sprechen wollen“, erzählt Anna. Die Kindergartenmitarbeiterinnen konnten alle Fragen stellen: Was ist CF überhaupt? Wie ist sie bei Marlon ausgeprägt? Was ist Marlons Eltern wichtig? Und: Wie würde seine Therapie zwangsläufig den Kindergartenalltag beeinflussen?

Gar nicht so sehr, wie sich bald herausstellte. Für Marlons Eltern waren nur wenige Punkte wirklich entscheidend – und die waren wiederum für den Kindergarten überhaupt kein Problem. „Wir wollten den Kindergarten nicht überfordern“, erklärt Thorsten. Und Anna ergänzt: „Ehrlich gesagt würde ich auch erstmal zurückschrecken, wenn mir jemand eine umfangreiche Hygieneleitlinie vorlegt. Um die Mitarbeiterinnen nicht zu überlasten, haben wir uns zunächst auf vier Punkte beschränkt, die unserem Bauchgefühl nach ganz besonders wichtig waren.“

 

Die vier Punkte für den Kindergarten

Die Hygiene war Marlons Eltern am wichtigsten. Ihr Sohn sollte nicht mit Abwasser und Aerosolen in Berührung kommen. Aerosole sind winzige Wassertröpfchen, die etwa beim Spülen einer Toilette in die Luft gelangen, dort schweben – und alle Keime des Toilettenwassers enthalten. Deshalb begleitete zunächst eine Erzieherin Marlon, die den Deckel nach ihm herunterklappte und dann abspülte.

Heute braucht er keine Begleitung mehr. Geblieben ist aber ein Stöpsel in einem der Waschbecken. Dieser Stöpsel war ein weiterer Wunsch seiner Eltern: Damit auch das abfließende Wasser keine Aerosole verursachen kann, verschließt Marlon vor jedem Händewaschen den Abfluss. Wie sehr der Kindergarten Marlon unterstützt, zeigt sich auch daran, dass sie den Stöpsel kurzerhand gestellt haben.

Das Wasser sollte immer frisch sein. Älteres, stehendes Wasser oder Regenwasser sollte nach dem Wunsch der Eltern nicht verwendet werden, weil es Krankheitserreger enthalten kann. Beim Kleistern oder bei Wasserspielen könnte Marlon sie aufnehmen und erkranken. Das ist allerdings auch bei Kindern ohne CF möglich – weshalb der Kindergarten grundsätzlich nur frisches Wasser zum Spielen oder Basteln verwendet.

Die Tablettenmenge seiner Verdauungsenzyme hat Marlons Mutter in der ersten Zeit immer selbst anhand des Essensplans berechnet. Die Erzieherinnen sollten Marlon nur die richtige Anzahl Tabletten geben und auf die Einnahme achten. Nach einiger Zeit übernahmen die Erzieherinnen dann aber auch die Berechnung – mittlerweile regelt Marlon das selbstständig. Nur bei der Einnahme seiner hochkalorischen Trinknahrung haben die Erzieherinnen noch ein Auge auf ihn.

Das Inhalieren findet einmal am Tag im Kindergarten statt. Früher kam Mutter Anna dafür extra vorbei und ging mit Marlon in einen Extraraum. „Irgendwann haben die Erzieherinnen dann aber gemerkt, dass es stört, wenn die Mutter regelmäßig vorbeikommt“, sagt Anna und muss lachen. Und nun führen die Erzieherinnen auch die Inhalation selbstständig durch.

Marlon ist nun seit drei Jahren im Kindergarten. Seine Therapie ist schon Alltag für die Erzieherinnen – und für die anderen Kinder. Beim gemeinsamen Mittagessen erinnern sie ihn schon mal an die Einnahme seiner Tabletten. Oder bleiben bei ihm, wenn er inhaliert. Wirklich negative Reaktionen hat er noch keine erlebt. „Die Integration hat problemlos geklappt. Bislang haben wir wirklich nur Unterstützung erfahren“, sagt Thorsten.

 

Wir wollen, dass Marlon so frei wie möglich lebt. Anna, Marlons Mutter

Nicht mehr lange, und für Marlon beginnt ein neuer Lebensabschnitt: die Schule. Geplant ist, dass er dieselbe besucht wie sein Bruder. Seine Eltern orientieren sich also an den Erfahrungen, die sie bei der Kindergarten-Suche gemacht haben. Marlons CF haben sie bisher noch nicht erwähnt. Anna sagt: „Im Gespräch mit der Schulleiterin wird zum ersten Mal das Wort Mukoviszidose fallen. Dann schauen wir einfach mal, was passiert.“

 

Mit Selbstvertrauen anleiten: Tipps von einer CF-Mama

Kommt ein Kind chronisch krank zur Welt, entwickeln sich die Eltern schnell zu Alltagsexperten für diese Erkrankung. Beim Eintritt in den Kindergarten oder in die Schule gilt es dann plötzlich, neue Bezugspersonen für das erkrankte Kind zu schaffen – und Wissen zur Erkrankung und Therapie weiterzugeben. Das ist eine große Verantwortung. Wie Anna erzählt, kam dieser Wissensstand bei ihr mit der Zeit.

„Mein Stichwort ist: Netzwerken. Unser Netzwerk gibt mir extrem viel. Erster Anlaufpunkt war bei uns ein guter Freund, der auch Mukoviszidose hat. Dazu kamen noch unsere CF-Ambulanz und eine Facebook-Gruppe für Eltern von Kindern mit CF.

Dann sind wir in Familienrehas gefahren, wo wir zusätzlich mit Betroffenen aus ganz Deutschland zusammengekommen sind. Wir haben dort viele unterschiedliche CF-Verläufe kennengelernt, genauso wie verschiedene andere Behandlungsmethoden für die Symptome einer Mukoviszidose. Dort habe ich mein Wissen auch nochmal hinterfragt. Schließlich weiß ich auch nicht alles.

Ich habe dann auch viel mit anderen Eltern betroffener Kinder in meiner Selbsthilfegruppe besprochen und in Marlons CF-Ambulanz mit dem behandelnden Arzt. Neugierde und eine große Bandbreite an Erfahrungen machen viel aus.“

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