CF, Corona und Zusammenhalt: Familienzeit während der Pandemie
Zum Zeitpunkt des Interviews waren beide Elternteile schon seit einigen Wochen im Homeoffice. Die Kinder sind ebenfalls zuhause geblieben, da sowohl Schule als auch Kindergarten geschlossen waren. Marlon ist der jüngste von drei Geschwistern. Zum Zeitpunkt des Artikels war noch unklar, ob Marlons Einschulung wie geplant stattfinden konnte. „Das ist der allgemeine Wahnsinn, der wahrscheinlich gerade alle Familien betrifft“, so Mutter Anna. Das Interview mit der Familie zur Vorbereitung auf den Kindergarteneintritt von Marlon findet ihr übrigens hier.
„Wenn ich allein an den Umgang mit Marlons Mukoviszidose denke, hat sich unser Alltag zuhause kaum geändert“, fuhr sie fort. Seine Verdauungsenzyme hat Marlon weitergenommen, genauso wie er selbstständig inhaliert hat – allerdings zuhause und nicht im Kindergarten. Nur seine Physiotherapeutin sah Marlon wegen des Coronavirus ausschließlich digital. Aus diesem Grund machte er die Übungen nun selbstständig, während Mutter Anna das Tablet hielt. Sie sagte: „Solange es Marlon so gut geht wie gerade, reicht die angeleitete Physiotherapie vollkommen aus. Am Tablet funktioniert das auch sehr gut.“
Wir gehen vorsichtig mit der Corona-Pandemie um. Aber wir schließen uns nicht ein.Anna, Marlons Mutter
Marlons Familie hat in Corona-Zeiten zwei Regeln für sich festgelegt: Abstand halten und noch häufiger Hände waschen als sonst. Wegen der Cystischen Fibrose von Marlon waschen sich die Geschwister sowieso schon immer die Hände, wenn sie von draußen ins Haus kommen. „Ich habe nun zusätzlich noch eingeführt, dass sie beim Hände waschen zwei Mal hintereinander Happy Birthday singen“, berichtete Anna. So haben die Kinder auf jeden Fall die empfohlene Dauer von 20 bis 30 Sekunden eingehalten.[1]
„Außerdem desinfizieren wir nun auch Türgriffe, das Handy und das Lenkrad – also Gegenstände, die man häufig anfasst, ohne groß darüber nachzudenken“, sagte Marlons Vater Thorsten. Geputzt wurde das Haus aber wie vor COVID-19. Handdesinfektionsmittel für den täglichen Gebrauch stand lediglich neben dem Vaporisator, mit dem die Familie Marlons Inhalationszubehör reinigt [2] – auch dies war jedoch bereits vor Covid-19 der Fall.
„Marlon hat gelacht, als wir alle zum ersten Mal einen Mundschutz getragen haben. Er kennt das schon seit Jahren aus seiner CF-Ambulanz“, berichtete Anna. Die CF-Ambulanz des Uniklinikums, in der Marlon betreut wurde, war zum Zeitpunkt des Interviews wieder für reguläre Untersuchungen geöffnet. Marlons nächste Dreimonatsvisite sollte bald stattfinden – allerdings etwas anders organisiert als noch vor dem Coronavirus. Geplant war unter anderem, dass unterschiedliche Angebote wie etwa Ernährungsberatung und Physiotherapie in einem einzelnen Behandlungszimmer stattfinden – damit Betroffene sich so nicht mehr beim Raumwechsel auf dem Flur begegnen konnten.
Die Corona-Pandemie ist wahrscheinlich für alle eine große psychische Belastung. Für uns Muko-Betroffene kommt noch eine Schippe drauf.Anna, Marlons Mutter
Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie haben Marlons Eltern zahlreiche risikoarme Alternativen für ihren bisherigen Alltag gefunden. So probierten sie etwa einen Lebensmittelwagen aus. Von den Nachbarn organisiert lieferte er während der Corona-Krise die Einkäufe einmal wöchentlich bis an die Haustür. Und auch der Bewegungsradius der Kinder verkleinerte sich, um das Risiko zu reduzieren. Die meiste Zeit verbrachte die Familie entweder zuhause oder im eigenen Garten. Nur, wenn ihre Eltern nicht arbeiten mussten, unternahmen sie gemeinsam Ausflüge oder Spaziergänge in die nähere Umgebung, etwa zum nächsten Eisladen.
Damit die Geschwister trotzdem nichts vermissen mussten, führten ihre Eltern ein Tageshighlight ein. „Wir probieren einfach neue Sachen aus, die im Haus oder im Garten stattfinden können“, erzählte Thorsten. „Einmal haben wir im Garten gezeltet und ein Lagerfeuer in unserer Feuerschale gemacht.“ Ein anderes Mal gab es eine Wasserbombenschlacht in der Frühlingssonne.
Wie lange diese „Familienquarantäne“ Bestand haben würde, war der Familie zum damaligen Zeitpunkt ungewiss. Die Familie wusste nicht, wann es weitere Lockerungen geben wird und wann die Schulen wieder öffnen konnte. Erst dann konnten sich die Eltern von Marlon überlegen, wie die Familie zurück in einen neuen Alltag finden kann. „Wenn die älteren Geschwister von Marlon wieder zurück in die Schule gehen können, werde ich wegen der Infektionsgefahr wohl ein Schreiben an die Schule schicken, dass wir hier ein Kind in einer Risikogruppe haben und das Einhalten der Hygieneregeln dort für uns daher besonders wichtig ist“, erzählte Mutter Anna. „Ein komisches Bauchgefühl habe ich schon.“
Denn obwohl sich in Punkto Hygiene und Therapie der Mukoviszidose nicht viel änderte, blieb das Virus eine Gefahr, die den Alltag der Familie noch komplexer machte. „Wir wissen ja selber nicht, wie es weitergeht. Aber wir machen das Beste daraus“, so Anna.
DE-20-2200187