Mädchen vor Krankenhaus

„Das Krankenhaus gibt mir viel Kraft“

Ein Klinikaufenthalt ist für die meisten Menschen ein seltener, eingeplanter Zwischenstopp im Lebensalltag. Bei Sarah ist das anders: Ihre Mukoviszidose zwang sie 2018 zu mehreren vollstationären Behandlungen. Insgesamt verbrachte sie über 160 Tage im Krankenhaus. Ihr selbstbestimmtes Leben ließ sie sich dadurch aber nicht nehmen. Sie verlegte es einfach in die Klinik: Sarah lernte im Krankenbett für die Uni, traf Freunde und pflegte ihren Instagram-Account @pinguinkuh

Zeitpunkt des Interviews: 2019

Ein größtenteils selbstbestimmtes, fröhliches Leben und regelmäßige Aufenthalte im Krankenhaus schließen sich nicht aus. Das beweist Sarah schon seit ihrer frühesten Kindheit. Die Diagnose erfuhren ihre Eltern gleich nach der Geburt: „Meine große Schwester war zu diesem Zeitpunkt bereits wegen Mukoviszidose in Behandlung. Da haben mich meine Eltern natürlich sofort testen lassen.“

Die regelmäßigen Krankenhausbehandlungen beider Mädchen gehörten irgendwann einfach zum Familienleben dazu. „Ich bekam regelmäßig ambulante Infusionstherapien, Physiotherapien oder Inhalationen. Abgesehen davon bin ich bis ins Jugendalter ganz normal aufgewachsen.“

Über Sarah
Sarah im Krankenhaus mit ihren Pinguinen.

Sarah mit ihren Pinguinen (Foto: https://www.instagram.com/p/BROjlirjjHb/)

Zum Zeitpunkt des Artikels (April 2019) war Sarah 23 Jahre alt und lebte in Koblenz am Bodensee. Sie studierte im siebten Semester Grundschullehramt – notfalls auch vom Krankenbett aus. Außerdem engagierte sie sich dafür, dass ihre Krankheit Mukoviszidose bekannter wird. Mit Erfolg: Ihrem Instagram-Account @pinguinkuh folgen mittlerweile (Januar 2023) mehr als 50.000 Abonnenten. Darunter sind auch viele Menschen, die nicht an Mukoviszidose erkrankt sind. Auch sie interessieren sich für Sarahs Erkrankung, ihre Therapien, die Fort- und Rückschritte in ihrer Behandlung. Sarahs Ziel ist es, ihnen und anderen Mukoviszidose-Patienten zu zeigen: „Das Leben ist schön."

Der tierische Account-Name geht auf einen selbstgemachten Glücksbringer zurück. Gebastelt hat den eine Freundin mit Vorliebe für Kühe. Sarahs Lieblingstiere sind Pinguine – geboren war der Name @pinguinkuh. Die flugunfähigen Vögel begleiten sie auch immer mit auf Station. Ihre zahlreichen Pinguin-Kuscheltiere gehören fest zur Wohlfühlatmosphäre des Krankenzimmers dazu.

Ihre Geschichte verbreitet sie auch über Zeitungen und das Fernsehen. Der SWR hat sie schon mehrmals im Krankenhaus besucht und über ihr Leben mit der Erkrankung berichtet. Zuletzt auch über ihr Hoffen auf eine Spenderlunge – die sie nach langem Warten im Juni 2019 erhalten hat.

Über die Jahre summierten sich Sarahs einzelne stationäre Aufenthalte. 2018 verbrachte sie dann über 160 Tage auf Station. „Zuerst war ich für drei oder vier Wochen im Krankenhaus in Mainz. Dann konnte ich entlassen werden. Aber nach zwei Wochen zuhause kam ich wegen meiner Atemprobleme wieder in die Notaufnahme“, erzählt sie. Kaum zurück in der Klinik wiederholte sich dieser Ablauf: Zunächst besserten sich die Symptome und Sarah konnte nach Hause – nur um nach einigen Wochen erneut in eine stationäre Behandlung zu müssen.

Dieses ständige Hin und Her zehrt an den Kräften. Doch Sarah begegnet den Unwägbarkeiten ihrer Mukoviszidose inzwischen routiniert. Über die Jahre hat sich ein festes Auffangnetz um sie herum gebildet, bestehend aus Familie, Freunden, Arbeit und dem digitalen Austausch mit anderen Betroffenen. 

„Ich habe das große Glück, dass fast jeden Tag Besucher vorbeischauen“, erzählt sie. Auch an schlechten Tagen sitzt meist jemand neben ihrem Bett – selbst, wenn sie nur schläft. An den guten Wochenenden wird sie manchmal von der Klinik beurlaubt. Dann geht es mit den Eltern in die Stadt, ins Restaurant. Oder einfach nur für eine Stunde spazieren: „Dafür gibt es doch Rollstühle. Die Möglichkeiten sind immer da – auch, wenn es mir gerade nicht so gut geht.“

Es ist toll, anderen Mut zu machen. Dadurch bekomme ich auch ganz viel Kraft zurück. Sarah

Der Austausch mit anderen Mukoviszidose-Betroffenen ist für Sarah ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens geworden. Der Kontakt entsteht häufig über ihren Instagram-Account. „Anderen Patienten muss ich viel weniger erklären. Sie reagieren auf meine Sorgen und Ansichten aus einer ganz anderen Position als Nicht-Erkrankte.“ 

Aber auch Menschen ohne Zystische Fibrose haben ihren Account längst entdeckt. Sie reagieren auf ihre Posts, tauschen sich in den Kommentarspalten aus oder wünschen Sarah einfach Kraft für ihre weitere Therapie. Die Akzeptanz ihrer Posts hat sicherlich auch etwas mit deren Inhalten und Motiven zu tun. Fast alle Bilder zeigen eine strahlende, gut gelaunte Sarah. Die Erkrankung wird nur durch den Sauerstoffschlauch in ihrer Nase sichtbar. „Mir ist es wichtig, dass ich meine innere Einstellung auf meinem Kanal zeige“, erklärt Sarah. „Ich möchte zeigen, dass das Leben sehr schön sein kann – auch bei durchaus großen Einschränkungen.“

Der Krankenhausaufenthalt als Zeit zum Kraft tanken

„Natürlich sind die Tage in der stationären Behandlung sehr monoton. Ich bekomme meine Infusionen, mache meine Therapie. Aber ich kann mich wirklich nicht beschweren. Ich fühle mich auf meiner Station wie zuhause.“ Mittlerweile ist sie seit fünf Jahren im Mainzer Krankenhaus in ambulanter oder stationärer Behandlung. An ihrem Geburtstag hat ihre Ärztin einen Beamer und eine Leinwand für das Krankenzimmer organisiert. „Dann hatte ich ein Kino im Zimmer“, sagt Sarah.

 

Sarahs Packliste für den Klinikaufenthalt: Das darf nicht fehlen

„Der persönliche Flair ist mir gerade bei einem längeren stationären Aufenthalt sehr wichtig. Das Zimmer soll eben nicht steril oder nach Krankenhaus aussehen. Deshalb nehme ich immer etwas Deko mit: Lichterketten, kleine Figuren – und natürlich Pinguine in allen Formen, Materialien und Größen. Meine Lieblingsdecken und Kuschelkissen müssen auch noch mit. Das macht es mir einfacher, mich im Krankenhaus wohl zu fühlen. Beim Packen kommen natürlich auch Lehrmaterialien von der Uni in den Koffer. Wenn es mein Gesundheitszustand zulässt, ist Lernen sinnvoller als im Bett liegen und Serien schauen.“

Am Ende ist es der positive Blick auf ihr Leben, der Sarah viel Kraft schenkt. „Ich glaube, dass meine Einstellung sehr viel ausmacht. Wenn ich ständig betrübt wäre oder negative Gedanken hätte, dann würde ich fast gar nicht mehr aus dem Bett kommen… Was sich dann auch wieder sehr negativ auf meinen Gesundheitszustand auswirkt.“ Es ist diese innere Einstellung, die sie auch die schwierigen Tage überstehen lässt.

Dazu gehört natürlich auch ihr Blick auf das Krankenhaus. Ihre Aufenthalte sind eine Möglichkeit, Kraft zu sammeln für die Rückkehr in den Alltag. „Ich weiß heute, dass ich Krisensituationen nicht alleine managen muss. Ich habe Unterstützung: Von Schwestern, Ärzten, Physiotherapeuten. Dieses Gefühl überwiegt am Ende bei mir.“

Tolle Neuigkeiten: Über ihren Instagramkanal @pinguinkuh teilte Sarah im Juni 2019 ihren Followern mit, dass sie inzwischen eine Spenderlunge erhalten hat und auf dem Weg der Besserung ist. Das Team von MukoStories wünscht ihr weiterhin alles Gute!

DE-20-2200179