Illustration eines Paares, das sich an den Händen hält

Erfüllte Partnerschaft - trotz oder wegen Mukoviszidose?

Auch unter normalen Umständen ist eine Liebesbeziehung nicht immer einfach. Zwei Menschen mit individuellen Persönlichkeiten, Gedanken und Emotionen, die ihr Leben mit allen Hoch- und Tiefpunkten miteinander teilen. Das kann auch gewisse Herausforderungen mit sich bringen – insbesondere, wenn ein oder sogar beide Partner von einer chronischen Erkrankung betroffen sind. Oder? Wir haben mit dem Ehepaar und CF-Betroffenen Nicole und Sebastian Koch über ihre Geschichte, ihren Alltag und Tipps für eine glückliche Beziehung gesprochen.                                                                                                                                                                                      Zeitpunkt des Interviews: November 2021.

Nicole und Sebastian haben sich im März 2005 im Krankenhaus kennengelernt. Damals mussten sie für die intravenöse Antibiotikatherapie zwei Wochen im Krankenhaus verbringen und konnten sich hier schon etwas kennenlernen. Gefunkt hat es bei den beiden aber erst etwas später und offiziell zusammen waren sie im September 2005. An dem Tag, an dem Nicole entlassen wurde, fiel der erste Kuss. 
 

Über Nicole und Sebastian
Nicole und Sebastian

Nicole und Sebastian

Nicole (34 Jahre) und Sebastian (35 Jahre) sind beide von Mukoviszidose betroffen und führen seit 16 Jahren eine Beziehung. Das Ehepaar hat es sich zur Herzensangelegenheit gemacht, über die Erkrankung aufzuklären und ihr Leben mit CF zu zeigen. Auf ihren Instagram-Seiten und der Website von Sebastian berichten sie regelmäßig über ihren Alltag mit CF, ihre Höhen und Tiefen.

Beide sind sportlich sehr aktiv: Sebastian hat schon zwei Halbmarathons und ein 120 km Radrennen erfolgreich beendet. Auch Nicole hat schon an Hindernisläufen wie dem Muddy Angel Run teilgenommen und beweist mehrere Male die Woche im Fitnessstudio und beim Radfahren, wie fit sie ist. Durch ihre Beiträge möchten sie andere Betroffene motivieren, zeigen, wie wichtig Sport bei CF ist und dass das Leben trotz Mukoviszidose erfüllt sein kann.

Inwiefern spielt die CF in eurer Beziehung eine Rolle? Gibt es hier positive und negative Aspekte zu berichten?

Sebastian: Positiv ist ganz klar, dass man Verständnis für den anderen hat. Wenn es uns phasenweise nicht so gut geht, kann sich die oder der andere genau in die Lage hineinversetzen. Andererseits kann es einen auch selbst herunterziehen, wenn es dem anderen nicht gut geht und dadurch der Sorgenpegel steigt.  

Nicole: Wir müssen uns auch nicht erklären, da der andere genau versteht, was man gerade durchmacht. Das merkt man vor allem in banalen Situationen, beispielsweise wenn der Partner darum bittet, nicht so schnell zu gehen. Niemand bekommt eine genervte Antwort oder muss sich rechtfertigen. Das erleichtert das Leben sehr. Wir müssen uns auch nicht beim Inhalieren verstecken, sondern machen es einfach gemeinsam auf der Couch. Das sind alles positive Aspekte, die automatisch gegeben sind, weil wir beide CF haben. 
 

Gibt es konkrete Beispiele, wie ihr euch aktiv unterstützt, wenn es einem von euch schlechter geht?

Nicole: Den Haushalt übernimmt dann natürlich die Person, der es besser geht, während sich die andere ausruht. In solchen Situationen fehlt dem Kränkeren auch oft die Motivation. Da versuchen wir anzusetzen und motivieren uns beispielsweise gegenseitig zu etwas Bewegung oder versuchen die Stimmung des anderen etwas zu heben.  
 

Kann eine chronische Erkrankung Paare auch stärker zusammenschweißen?

Nicole: Ja, gerade aufgrund der vielseitigen Herausforderungen. Ich hatte in der Vergangenheit drei Mal einen Pneumothorax, wobei die ersten beiden ziemlich langwierig waren und ich zeitweise über drei Monate im Krankenhaus lag. Zu Anfang habe ich mir etwas Sorgen gemacht, wie Sebastian damit umgeht. Wird er bleiben oder gehen? In einer besonders kritischen Situation, wo das Ende unklar war, ist er bei mir geblieben. Das schweißt zusammen und stärkt die Beziehung enorm. 

Kennt ihr den Film „Drei Schritte zu dir“? Hier geht es um zwei Mukoviszidose-Betroffene, die sich körperlich nicht annähern dürfen, um eine Kreuzinfektion zu vermeiden. Warum ist das bei euch anders? Gibt es trotzdem Dinge, auf die ihr achten müsst?

Nicole: „Drei Schritte zu dir“ ist ein Film aus den USA, die Regeln sind da etwas anders als hier. Das bedeutet aber nicht, dass diese Empfehlung nicht auch auf uns zutrifft. Auch wir sollen Abstand zu anderen CF-Betroffenen halten, was wir in unserem Alltag auch tun. Aber das war damals eine Entscheidung, die wir für uns treffen mussten: Geben wir unserer Beziehung eine Chance oder nicht?

Trotz meiner anfänglichen Bedenken, war für uns beide klar: Lieber ein kurzes, glückliches Leben, als ein langes und nicht erfülltes. Nicole

Sebastian: In Bezug auf die Keime wussten wir beide nicht, was auf uns zukommt. Wir waren natürlich eng im Austausch mit unseren Ärzten, die anfangs nicht begeistert waren – aber mittlerweile akzeptieren sie es. Niemand sucht sich den Partner oder die Partnerin nach einer Krankheit aus. Die Gefühle sind das, was zählt. In dem Film ist zudem ein sogenannter Problemkeim der Grund, weshalb die beiden Hauptrollen sich nicht annähern dürfen. Nicole und ich haben beide keinen Problemkeim, sondern „nur“ einen Pseudomonas, d.h. Bakterien, welche Infektionen der Atemwege verursachen können, und von denen fast alle CF-Betroffenen betroffen sind. Dazu haben wir komplett unterschiedliche Bakterienstämme, obwohl wir ein Paar sind. 

Wo die Liebe hinfällt... Sebastian

Mit Sebastian haben wir bereits in unserem Podcast [1] über seine sportlichen Leistungen gesprochen. Auch du, Nicole, machst Sport. Welche Rolle spielt Sport in eurer Beziehung?

Sebastian: Sport ist ein großes Thema in unserer Beziehung. Wir gehen 3-5 Mal die Woche zusammen ins Fitnessstudio. Das ist etwas, was uns beiden Spaß macht und Zeit, die wir gemeinsam genießen. Fahrradfahren und Laufen mache ich allein.

Nicole: Das macht er nur allein, da Laufen als Sportart leider nichts für mich ist. Es schnürt sofort meine Lunge zu. Und beim Fahrradfahren fährt Sebastian mir einfach zu schnell, weshalb ich lieber meine eigenen Runden ziehe. Auch wenn wir sehr gerne gemeinsame Aktivitäten ausüben, ist es wichtig, seinen eigenen Hobbies nachzugehen und sich Zeit für sich selbst zu nehmen. 
 

Die CF-Therapie nimmt viel Zeit im Alltag ein. Wie organisiert ihr euch, damit ihr auch Zeit für eure Beziehung findet?

Sebastian: Wir haben keine bestimmte Organisation, das ist ganz normaler Alltag für uns. Die Therapie gehört zu unserem Leben dazu, hält uns aber nicht davon ab, Zeit miteinander zu verbringen oder unsere Beziehung gemeinsam zu genießen. 

Ich muss mir kein schickes Kleid anziehen und essen gehen, um mir bewusst zu sein, dass mein Partner an meiner Seite ist. Nicole

Nicole: Wir machen uns keinen Druck. Wichtig ist, dass man die Zeit, die man miteinander hat, auch bewusst erlebt. Für uns sind auch Kleinigkeiten, wie zu Hause essen oder einen Film schauen, Dinge, die wir gemeinsam tun und schätzen. 

Wie hat sich Corona bzw. die Lockdown-Zeit auf eure Beziehung ausgewirkt? Gab es große Veränderungen oder Einschränkungen?

Sebastian: Innerhalb unserer Beziehung hat sich seitdem nicht viel geändert. Wir konnten arbeiten gehen und hatten weiterhin unsere tägliche Beschäftigung. Lediglich der Kontakt zu Freunden und Familie hat sich verändert, diesen haben wir sehr eingeschränkt. Das hat uns schon gefehlt. Aber wir hatten uns und den Hund.

Nicole: Am Anfang haben wir schon ein paar Kleinigkeiten anders gemacht und mehr aufgepasst. Die ersten vier Wochen habe ich nicht gearbeitet, weil ich keine Home-Office Möglichkeit hatte und ich bin auch erstmal nicht einkaufen gegangen. Aber irgendwann wollte ich auch wieder nach Draußen und meine Dinge selbst erledigen. Statt ins Kino zu gehen, haben wir einen Waldspaziergang gemacht. Sport hat sich zunächst aufgrund des Lockdowns etwas schwieriger gestaltet, aber wir haben den Fitnessstudio-Besuch dann einfach nach draußen verlegt. Das hat gut funktioniert. 
 

Was wünscht ihr euch für eure gemeinsame Zukunft? Habt ihr Ziele, die ihr (gemeinsam) erreichen wollt?

Sebastian: Gesund bleiben und alt werden! Das ist das Größte, was wir erreichen wollen. Ansonsten haben wir eigentlich alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben: Wir haben uns ein kleines Häuschen gekauft, wir haben einen Hund. Das ist unsere Familie. 

Gesund bleiben und alt werden! Das ist das Größte, was wir erreichen wollen. Sebastian

Habt ihr für andere CF-Paare – oder generell für Betroffene mit chronischen Erkrankungen – Tipps für eine glückliche Beziehung trotz Erkrankung?

Nicole: Ich glaube, da gibt es keinen Geheimtipp. Einfach offen und ehrlich mit der Krankheit umgehen und füreinander da sein. 

Sebastian: Das Wichtigste ist, die Krankheit nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Die Therapie muss natürlich eingehalten und die eigene Gesundheit im Blick behalten werden, aber die Erkrankung sollte nicht im Fokus der Beziehung stehen. Es kann helfen, ab und zu mit der Partnerin oder dem Partner darüber zu sprechen, aber nicht den ganzen Tag. Niemand sollte sich und seine Beziehung von der Erkrankung bestimmen lassen.
 

Ich lebe mit der Krankheit, die Krankheit nicht mit mir. Sebastian

16 Jahre Beziehung bestätigen, dass Nicole und Sebastian das Liebesglück ineinander gefunden haben. Ihr gemeinsames Leben zeigt, dass trotz – oder eben genau wegen der Herausforderungen der CF – eine glückliche Beziehung möglich ist und dass diese nicht von der Erkrankung bestimmt werden muss. 

Noch ein Lese-Tipp: Ihr habt auch Mukoviszidose, eure Partnerin oder euer Partner allerdings nicht? Mit Johanna Gardecki, Psychologin an einem CF-Zentrum, haben wir im Interview über Wünsche, Unsicherheiten und Unterstützung in Beziehungen gesprochen.

Nicoles und Sebastians Beziehungstipps
  1. Offenheit und Ehrlichkeit: Seid füreinander da und unterstützt euch aktiv in allen Phasen eurer Beziehung und eurer Erkrankung. 
  2. Bewusst leben und die Mukoviszidose nicht in den Mittelpunkt stellen: Macht euch keinen Druck, große romantische Dates zu planen. Oft sind es die kleinen Dinge, die zählen und enger zusammenschweißen. Das kann z.B. ein gemeinsamer Spaziergang oder ein Film-Abend sein. 
  3. Me-Time: Gemeinsame Zeit ist schön, aber auch mal für sich zu sein ist wichtig für das allgemeine Wohnbefinden. Ihr müsst nicht den ganzen Tag zusammen verbringen, übt eure individuellen Hobbies aus. 
     

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Quellen
  1. MukoStories Podcast: Online verfügbar auf https://open.spotify.com/show/3m08DssmO3dVDtY7NcWagl