Illustration von Arzt, Mikroskop und Lunge

Was ihr über eine Lungentransplantation wissen solltet: Ein Arzt und eine Psychologin klären auf (Teil 2/2)

Was sind die Voraussetzungen, um für eine Organspende in Frage zu kommen? Was kann man selbst tun, um diesen Prozess physisch und psychisch am besten zu begleiten? Dr. Matthias Welsner, Pneumologe an der Ruhrlandklinik in Essen, und Psychologin Ute Niehammer haben viele gute Ratschläge für die Zeit vor und nach der Lungentransplantation.

Je nach Verlauf der Mukoviszidose kann es sein, dass Betroffene eine Lungentransplantation in Erwägung ziehen müssen. Eine Transplantation ist ein schwerer Eingriff und vor der Entscheidung für eine Listung gibt es viele Fragen und Gedanken: Was erwartet mich? Wie kann ich mich darauf vorbereiten? Im zweiten Teil unserer Serie zum Thema Lungentransplantation erklären der Pneumologe Dr. Welsner und die Psychologin Ute Niehammer, wie wichtig körperliche Aktivität ist und warum das offene Gespräch in jeder Phase helfen kann.

Unter welchen (medizinischen) Voraussetzungen wird eine Lungentransplantation angeraten?

Dr. Welsner: Das Kriterium für eine Listung ist eine fortschreitende Lungenerkrankung mit einer Lebenserwartung von zwei bis drei Jahren. Es geht um Einschränkungen, die lebensbedrohlich sind. Das zeigt gleichzeitig die Schwierigkeit, weil schwer abzuschätzen ist, ob jemand tatsächlich noch drei Jahre leben wird.

In welchem Stadium befinden sich die Patientinnen und Patienten?

Dr. Welsner: Das ist unterschiedlich. Neben eingeschränkter Lungenfunktion spielen z.B. auch die Häufigkeit von Infekten oder Komplikationen eine Rolle. Man kann das nicht pauschalisieren. Es gibt keine klassischen Stadien bei Mukoviszidose. 

Wie sieht ein Beratungsgespräch aus? Was sind die wichtigsten Fakten, die man vor einer Transplantation kommunizieren sollte?

Dr. Welsner: In der Beratung mit den behandelnden Ärzten geht es zunächst um die Frage, ob die Patientin oder der Patient überhaupt transplantiert werden möchte. Das ist die Voraussetzung. Und wir haben die Aufgabe, bewusst zu machen, dass aus medizinischer Sicht der Punkt gekommen ist, an dem man darüber reden muss. Das ist ein wichtiger Teil des Beratungsgespräches. Dabei wird geschaut, ob sich jemand in der psychosozialen Verfassung befindet und ob er oder sie diesen Schritt gehen kann.

 

Wir haben die Aufgabe, bewusst zu machen, dass aus medizinischer Sicht der Punkt gekommen ist, an dem man darüber reden muss. Dr. Matthias Welsner

Frau Niehammer: Mukoviszidose-Betroffene sind sehr gut aufgeklärt. Sie haben diese Erkrankung von Geburt an und haben sich mit dem Thema Lungentransplantation in der Regel schon beschäftigt. Die überwältigende Mehrheit kennt jemanden im Freundes- und Bekanntenkreis, der bereits transplantiert wurde. Betroffene stehen einer Transplantation grundsätzlich offen gegenüber.

Häufig ist aber der eigene Zustand nicht so bewusst, der eine Transplantation erforderlich macht. Es ist Teil unseres Beratungsprozesses, diese Notwendigkeit zu verdeutlichen und gemeinsam darüber zu sprechen. Das machen wir anhand von Bildern aus dem CT (Computertomographie), anhand von der Lungenfunktion, aber auch anhand von Erinnerungen und Fragen nach dem Zustand vor einem Jahr. Wie ging es mir damals? Was konnte ich noch? Wo stehe ich heute? Die Frage des Zeitpunkts ist für die Patientinnen und Patienten sehr entscheidend. Sie machen sich Gedanken, wo sie jetzt körperlich stehen. Auf der anderen Seite ist eine große Unsicherheit zu spüren, nicht zu wissen, wie es ihnen nach der Operation gehen wird. Die Erfahrung, die sie bisher in all den Krisen gemacht hatten, ist, dass es ihnen oft wieder besser ging. Es ist ein Bewusstseinsprozess, zu lernen, dass das irgendwann nicht mehr der Fall ist. Hierfür müssen wir gut im Team arbeiten.

Sie haben vorhin von den physischen und psychischen Voraussetzungen gesprochen. Welche Stabilität braucht eine Patientin oder ein Patient aus medizinischer Sicht, um eine Transplantation durchzuhalten?

Dr. Welsner: Am liebsten sind uns Patientinnen und Patienten, die zum OP-Termin ihren Koffer selbst tragen können. Das wäre unsere Wunschvoraussetzung. Das passiert natürlich nicht. Aber die Erkrankung darf nicht so weit fortgeschritten sein, dass ein Organversagen droht. Im besten Fall sind Betroffene noch so gut drauf, dass sie ein bisschen Sport treiben und selbstständig Nahrung zu sich nehmen können. Die kleinen Dinge des täglichen Lebens noch bewerkstelligen zu können, wäre wünschenswert. Aus medizinischer Sicht ist die größte Herausforderung, den perfekten Zeitpunkt zu finden. Es darf nicht zu früh, aber auch nicht zu spät sein. Das können wir auch nur im Team leisten. Jeder nimmt die Patientin oder den Patienten ein bisschen anders wahr. Ziel ist es, dass jeder optimal in die Operation hineingeht und optimal wieder herauskommt.

Und aus psychologischer Sicht?

Frau Niehammer: Es findet ein psychologisches, psychosomatisches Gespräch statt und man schaut, wie die Betroffenen eingebunden sind, welche soziale Unterstützung sie haben. Gibt es Familie und Freunde, die sich kümmern? Das ist besonders nach der Operation wichtig, um sich wieder in den Alltag zu integrieren. Und wir müssen die sogenannte Adhärenz einschätzen, die Bereitschaft der Betroffenen, mitzumachen. Das heißt, dass es nach der Transplantation wichtig ist, sich an Hygienerichtlinien zu halten und regelmäßig und frühzeitig Kontakt mit dem Transplantationszentrum aufzunehmen. Ebenfalls ist laut Richtlinien zur Organtransplantation gefordert, dass kein schädlicher Substanzgebrauch und auch keine Abhängigkeitssyndrome (v.a. Tabakrauch, Alkohol, Cannabis…) vorliegen.

Nach der Transplantation ist es wichtig, sich an Hygienerichtlinien und die regelmäßige Einnahme von Medikamenten zu halten. Ute Niehammer

Betroffene warten sehr lange auf ein Organ. Viele nehmen die Zeit als sehr belastend wahr. Was passiert, wenn sich medizinisch eine Verschlechterung einstellt?

Dr. Welsner: In unserem System in Deutschland haben wir eine Punktevergabe. Je mehr Punkte ein Betroffener hat, desto höher ist die Dringlichkeit. Wenn eine Verschlechterung eintritt, steigt die Punktzahl, man kann das jederzeit anpassen und so die Dringlichkeit unterstützen. Dabei kann es in seltenen Fällen passieren, dass sich der Zustand auf der Warteliste so weit verschlechtert, dass der- oder diejenige nicht mehr transplantiert werden kann. Es kann auch sein, dass man jemanden von der Liste nehmen muss, bis sich sein bzw. ihr Zustand wieder stabilisiert hat.

Wie können Betroffene aus psychologischer Sicht am besten mit dem Wartesaal-Gefühl umgehen?

Frau Niehammer: Es ist tatsächlich eine belastende Phase, weil sich der Zustand von Betroffenen dahingehend verschlechtert, dass sie zu Hause immer mehr auf Unterstützung angewiesen sind. Viele fallen dann aus dem Erwerbsleben heraus. Sie haben verständlicherweise Angst, dass sie die Transplantation nicht mehr erleben. Manche haben auch Sorge um Angehörige, die zurückbleiben. Und mitunter entwickeln der eine oder andere Schuldgefühle, weil der Gedanke nicht leicht zu ertragen ist, dass man auf den Tod eines anderen warten muss, um weiterleben zu können.

Was kann in dieser Phase helfen?

Frau Niehammer: Es hilft, darüber zu reden, mit den Angehörigen, mit uns, andere Beratungsangebote wahrzunehmen. Es ist völlig normal, sich darüber Gedanken und Sorgen zu machen und es ist wichtig, das auch miteinander zu besprechen. Es hilft dann oft auch, Organisatorisches zu regeln – eine Patientenverfügung, eine Vollmacht; all diese Dinge zu durchdenken. Betroffene, die schon lange gelistet sind, beschreiben das Gefühl des Allzeitbereitseins irgendwann als normal, weil es gelebte Realität wird. Sie fangen dann an, wieder ein Stück weit ihren gewohnten Alltag zu leben.

Es ist völlig normal, sich darüber Gedanken und Sorgen zu machen und es ist wichtig, das auch miteinander zu besprechen. Ute Niehammer

Welche Hoffnung verbinden Patientinnen und Patienten mit einer Transplantation?

Frau Niehammer: Es besteht auf jeden Fall die Hoffnung, hinterher eine längere Lebenserwartung zu haben – vor allem mit einer guten Lebensqualität. Das spielt eine erhebliche Rolle: Nicht mehr auf Sauerstoff angewiesen zu sein, etwas unternehmen zu können. Wieder Freunde zu treffen oder Sport zu treiben. Der Wunsch ist da, wieder mobiler und flexibler im Alltag zu sein. Es sind die kleinen Dinge, die die Lebensqualität ausmachen und sie steigern können.

Was können Betroffene selbst tun, um diesen Prozess zu unterstützen?

Dr. Welsner: Das Wichtigste ist, die körperliche Aktivität aufrechtzuerhalten – so lange es geht und so früh wie möglich nach der Transplantation. Das ist und bleibt das A und O. Je fitter Betroffene in so eine Situation hinein gehen, desto fitter kommen sie auch wieder heraus. Die körperliche Aktivität ist neben allen Medikamenten die wichtigste Säule im Transplantationsprozess. Dafür gibt es in der Klinik sehr gute physiotherapeutische Angebote und auch danach in der Reha. Aber es ist die Bereitschaft der Patientinnen und Patienten gefragt, dass sie auch mitmachen und Verantwortung übernehmen.

Das Wichtigste ist, die körperliche Aktivität aufrechtzuerhalten – so lange es geht und so früh wie möglich nach der Transplantation. Dr. Matthias Welsner

Und aus psychologischer Sicht? Was können Betroffene selbst tun, um gut durch diesen Prozess zu kommen und für ihre seelische Gesundheit zu sorgen?

Frau Niehammer: Nach der OP sind Betroffene oft verunsichert und müssen ihren Körper neu kennenlernen. Sie müssen neu ausloten, wie belastbar sie sind. Das ändert sich ständig. Nach der Transplantation geht oft auch ein Fenster wieder auf für diese jungen Menschen. Was fange ich jetzt mit meinem Leben an? Welche Aufgaben und Ziele setze ich mir? Oft sind ja sehr junge Erwachsene betroffen, denen sich die Frage stellt, wie sie die „neue Freiheit“ gestalten wollen. Das ist für viele sehr schwierig. Eine Patientin hat mal gesagt, man muss einen guten Plan haben, was man nach der Transplantation mit seinem Leben anfangen will. Deswegen brauchen sie eine gute Begleitung. Das können Freunde und Familie sein, aber auch unterschiedlichste Beratungsangebote, Selbsthilfegruppen und Coachings.

Eine Patientin hat mal gesagt, man muss einen guten Plan haben, was man nach der Transplantation mit seinem Leben anfangen will. Ute Niehammer

Haben Transplantierte Probleme, die Lunge als Spenderorgan anzunehmen?

Frau Niehammer: Die Lunge ist ein sehr akzeptiertes Organ. Patientinnen und Patienten beschreiben den Moment, wenn sie selbst wieder atmen können, als überwältigend. Der Lunge zu vertrauen, ist ein Prozess, der am Anfang noch zweifeln lässt: Trägt sie mich? Wie stark kann ich sie belasten? Irgendwann merken die Betroffenen, dass die Lunge noch viel mehr Möglichkeiten bietet, mehr Potenzial, das sich austesten lässt. Das ist sehr schön: zu sehen, wie die jungen Menschen wieder aktiver werden, an Gewicht zunehmen und ihren Alltag bewerkstelligen.

Nach der Transplantation müssen Betroffene ihr Leben lang starke Immunsuppressiva nehmen und sehr intensiv auf Hygiene und versteckte Keime achten. Wie werden sie darauf vorbereitet?

Dr. Welsner: Sie erlernen das nach der Transplantation auf der Station. Bevor sie nach Hause entlassen werden, müssen sie anfangen, ihre Medikamente selbstständig zu stellen und einzunehmen. Hygiene ist vielleicht nicht so das Thema, weil Mukoviszidose-Patientinnen und -Patienten in diesem Setting groß geworden sind – ständig auf Hygiene zu achten. Das Tablettenstellen muss jedoch geübt werden. Da spielen Psychologen eine Rolle, Ergotherapeuten, die Pflege. Eine Ernährungsberaterin hilft den Betroffenen. Manchmal kommen auch Angehörige und Partner dazu, weil Ernährung häufig zu Hause gemeinsam umgesetzt wird. Wir stellen immer wieder fest, dass Mukoviszidose-Betroffene weniger Probleme haben, die Auflagen umzusetzen, weil sie es von klein auf gewohnt sind.

Und wenn sich jemand nicht an die Vorgaben hält?

Dr. Welsner: Das passiert äußerst selten. Wir müssen uns auf sie verlassen können. Das hat viel mit Vertrauen zu tun.

Frau Niehammer: Nach der Operation geht für viele junge Menschen das Tor zur Welt auf. Sie wollen ihr Leben genießen, auch mal auf der Überholspur sein dürfen. In dem Alter blühen junge Erwachsene auf, wollen etwas vom Leben haben, nicht über Krankheit und Tod nachdenken. Wie ist es aber, wenn man darüber nachdenken muss? Ich würde versuchen, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen und zu ergründen, was sie bewegt. Aber bei allem Verständnis auch bewusst machen, was auf dem Spiel steht. Ich habe eine Hochachtung vor meinen Patientinnen und Patienten, eine große Wertschätzung, wenn jemand mit dieser Erkrankung und mit einer Transplantation sein Leben gestaltet. Das ist eine hohe Anforderung insbesondere für so junge Menschen auf dem Weg ins Leben.

Ich habe eine Hochachtung vor meinen Patientinnen und Patienten, eine große Wertschätzung. Ute Niehammer

Auf welche Nebenwirkungen der Immunsuppressiva müssen sich Betroffene einstellen?

Dr. Welsner: Übelkeit ist ein großes Thema. Appetitlosigkeit, Erbrechen und eine hohe Infektanfälligkeit. Die Niere kann darunter leiden, was nicht sofort bemerkt wird. Unter der Übelkeit leiden viele gerade zu Beginn. Es dauert zum Teil sehr lange, bis sich das eingependelt hat.

Was könnte in dieser Phase helfen?

Frau Niehammer: Eine allgemeine Strategie gibt es nicht. Regelmäßiger Austausch ist wichtig. Egal ob in Selbsthilfegruppen, in Chats oder in einer Psychotherapie – mit anderen darüber zu sprechen, kann hilfreich sein. Man kann dabei auch von den Erfahrungen anderer Transplantierter profitieren. Meine Empfehlung: Lebe dein Leben, genieße dein Leben, tu was für dich! Schaue, was richtig für dich ist und was sich gut anfühlt. Das gepaart mit guter Eigenverantwortung ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Informations- und Selbsthilfeangebote für Betroffene

Die Geschichte von Heidi und ihrer Lungentransplantation könnt ihr im Interview auf MukoStories.de nachlesen. Zudem findet ihr hier auch Informations- und Beratungsangeboten. Der Mukoviszidose Verein bietet viele Möglichkeiten, sich über die Transplantation zu informieren und auszutauschen. Dort findet ihr auch Adressen für regionale Selbsthilfegruppen. Euer Ärzteteam dient zudem als erste Anlaufstelle.

Die Expertenstimmen
Dr. Matthias Welsner

Dr. Matthias Welsner, Oberarzt der Klinik für Pneumologie an der Ruhrlandklinik Essen 

Ute Niehammer

Ute Niehammer, Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin an der Ruhrlandklinik Essen

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