Darstellung eines Gesprächs zwischen zwei Personen

Die Verbindung von Kopf und Körper: Psychosoziale Aspekte der Mukoviszidose

Psychosoziale Aspekte spielen bei der Bewältigung einer chronischen Erkrankung wie Mukoviszidose eine entscheidende Rolle. Damit sind Faktoren gemeint, welche die Psyche und das soziale Leben betreffen: Etwa das Gefühl anders zu sein und teilweise nicht an regulären Aktivitäten teilnehmen zu können, aber auch der Umgang mit Therapieerfolgen oder -tiefs. Diese Faktoren stehen in einem stetigen Wechselspiel mit der physischen Gesundheit, weshalb es für Betroffene wichtig ist, sich dieser Aspekte bewusst zu sein und zu lernen, mit ihnen umzugehen. Wir haben mit der Psychologin und CF-Betroffenen Kathrin Bremer über Strategien gesprochen, die wirklich helfen können.                                                                                                                                                                                                                     Zeitpunkt des Interviews: November 2021.

Bei einer komplexen Erkrankung wie CF, die Patientinnen und Patienten körperlich sehr stark einnimmt, rückt die psychische Komponente leider manchmal in den Hintergrund – obwohl sie so wichtig und mit der körperlichen Gesundheit verbunden ist. Als fortschreitende Erkrankung kann die Mukoviszidose eine Vielzahl von Symptomen und dadurch bedingte zeitintensive Behandlungen mit sich bringen. Betroffene können aufgrund der Herausforderungen mit zahlreichen psychischen und sozialen Problemen konfrontiert sein, die ebenso akut angegangen werden müssen wie die körperlichen Belastungen.

Über Kathrin Bremer

Kathrin Bremer ist Diplom-Psychologin und war zum Zeitpunkt des Interviews in der Ausbildung zur Physiotherapeutin und Psychoanalytikerin und in der Ambulanz einer psychiatrischen Klinik in Mecklenburg-Vorpommern tätig. Sie ist selbst Mukoviszidose-Betroffene. Im Interview beschreibt sie, wie sie sich in ihrer Jugend nicht eingestehen wollte, dass die Erkrankung auch Spuren in ihrer Psyche hinterlässt. Das Blatt hat sich aber gewendet, denn nun ist die professionelle Auseinandersetzung sogar zu ihrem Beruf geworden. 

Heutzutage lebt sie bewusst und versucht rücksichtsvoll und mitfühlend mit sich selbst umzugehen – vor allem in schwierigen Krankheitsphasen. Sie möchte nichts mehr erzwingen und nimmt sich Zeit für schöne Dinge wie soziale Kontakte, Spaziergänge und ausgiebigen Schlaf. „Der Austausch mit anderen Menschen spielt für mich persönlich eine große Rolle, sowohl mit Betroffenen als auch mit Familie und Freunden. Das Gefühl zu haben, nicht allein dazustehen mit dem, was ich fühle und erlebe, ist etwas sehr Wertvolles für mich.“
 

Die Verbindung zwischen Kopf und Körper

Die Therapie bedeutet für Mukoviszidose-Betroffene auch eine gewisse Routine, die ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle entstehen lässt. Wenn dann beispielsweise ein Therapiewechsel ansteht oder eine Behandlung weniger Erfolg zeigt, kann das schnell den Boden unter den Füßen wegreißen und das sensible psychische Gleichgewicht belasten, erklärt Psychologin Kathrin Bremer im Interview.

Eine neue Therapie ist nämlich meist mit hohen Erwartungen verbunden, gleichzeitig führen Unwissenheit und Unbekanntes oft dazu, dass man sich nicht ganz wohl fühlt.
 

Ob Therapiewechsel, neue Medikamente oder auch eine plötzliche Besserung des Gesundheitszustands: Für Außenstehende sind das normale und sogar schöne Meilensteine, die Betroffene allerdings sehr unter Druck setzen können. Fragen wie „Wird die Therapie anschlagen? Was passiert, wenn nicht? Inwiefern verändert sich jetzt mein Alltag oder sogar meine Zukunftsplanung?“ entstehen. Neue Möglichkeiten können daher auch neue Unsicherheiten mit sich bringen. In solchen Situationen sei es absolut normal, sich traurig, ratlos oder sogar verzweifelt zu fühlen, erklärt Kathrin Bremer.  

Hier kommt die Verbindung von Körper und Kopf ins Spiel: Diese sind wie eine Einheit und reagieren aufeinander. „Körperliche Erkrankungen belasten die Psyche durch erhöhten Stress, Ängste, Schmerzen und eventuell auch traumatische Erfahrungen. Andersherum beeinflussen psychische Faktoren auch die körperlichen Aspekte der Erkrankung, denn Dauerstress schwächt das Immunsystem und Depressionen können die Fähigkeit zur Durchführung der CF-Therapie reduzieren“, erklärt Kathrin Bremer.

Wenn die Therapie plötzlich anschlägt

Auch wenn eine positive Veränderung meist an erster Stelle Freude bei Betroffenen auslöst, könne auch diese Situation zu neuen Ängsten und Unsicherheiten führen, so Kathrin Bremer. Denn plötzlich ist man gefordert, sich an eine neue Situation anzupassen; fragt sich, ob man nun mehr leisten muss und ob die Besserung überhaupt anhält. „Diese Phase kann sehr schwierig sein und wird in der Psychologie dann als Anpassungsstörung bezeichnet.“

„Zur Bewältigung dieser Gefühle ist es hilfreich, sich therapeutische Unterstützung zu suchen. Denn ist die Anpassung an die neue Situation vollbracht, klingen auch die psychischen Symptome wieder ab“, beschreibt Expertin Kathrin Bremer. „Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann Zuversicht bringen und einem zeigen, dass man nicht allein ist“, führt die Psychologin fort.

Der Angst ganz bewusst ein 'was, wenn alles gut wird', entgegenwerfen. Kathrin Bremer

Lernen mit Angst umzugehen

Was kann CF-Betroffenen nun helfen, um diese psychischen Belastungen zu bewältigen? „An erster Stelle sollte bewusst sein, dass auch die Psyche unter der Mukoviszidose leidet“, erklärt Kathrin Bremer. Auch wenn es vielleicht leichter sei, die psychische Komponente außen vor zu lassen – Herausforderungen können nur bewältigt werden, wenn sie anerkannt werden, so die Psychologin. Es gibt viele Wege, um hier anzusetzen: Die Kommunikation mit Freunden und Familie, das Ausleben von Hobbies, gezielte Ablenkung, Entspannung und Bewegung, sowie die Auseinandersetzung mit Unsicherheiten sind hilfreiche Ansätze für den Umgang mit psychischen Belastungen und können den Alltag aktiv bereichern.  

Mit Enttäuschungen während der Therapien und der dadurch entstehenden Angst sind die meisten CF-Betroffenen vertraut. Hier können Techniken erlernt werden, die dabei helfen, Gefühle zu regulieren. Achtsamkeit ist dabei das Stichwort.

Entscheidend sind oft gar nicht die großen Dinge, die wir tun, sondern das Kleine, Alltägliche. Kathrin Bremer

Resilienz als Schlüsselkompetenz

Wer resilient ist, kann besser mit Stress und negativen Gefühlen umgehen. Resilienz bringt uns also mehr Stabilität und Orientierung, auch wenn es mal hektisch wird und wir vor einem Berg an Herausforderungen stehen. „Dazu gehört auch herauszufinden, welche Bewältigungsstrategien wir für uns ganz persönlich entwickeln und nutzen können. Schwierigkeiten lassen sich leichter bewältigen, wenn wir ein gutes Selbstvertrauen haben und davon überzeugt sind, dass wir aktiv Einfluss auf unser Leben nehmen können“, beschreibt Kathrin Bremer dieses Konzept.

Die gute Nachricht: Resilienz ist wie ein Muskel des Körpers, der trainiert werden kann. Die Psychologin erklärt, dass der wichtigste Resilienzfaktor ein enges und unterstützendes soziales Umfeld ist. Jeder kleinste Kontakt, jedes Gespräch, hilft also beim Aufbau von Resilienz. „Weitere Faktoren sind Bildung und damit die Fähigkeit, Sinn in unserem Leben zu finden, der Glaube an die Selbstwirksamkeit, also selbst Einfluss auf das eigene Leben nehmen zu können, und die Fähigkeit das Unabänderliche zu akzeptieren,“ führt Kathrin Bremer fort. Das sind Dinge, die sich beispielsweise durch kulturelle Veranstaltungen, die Entdeckung eines neuen Buches oder sportliche Aktivitäten im Alltag gestärkt werden können.

Was bedeutet Resilienz?

Der Begriff „Resilienz“ kommt aus dem Englischen (resilience) und kann mit „Widerstand“ übersetzt werden.[1] Es ist die Fähigkeit, mit Stresssituationen umgehen zu können. Im Wesentlichen geht es darum, die Regulierung von Stress zu erlernen, um gesund auf Krisen zu reagieren.[2]  

Manchmal ist es das Beste, all diese Routinen einmal zu durchbrechen und etwas Wildes, Ausschweifendes zu machen. Kathrin Bremer

Sich professionelle Hilfe suchen

CF-Betroffene, denen es psychisch nicht gut geht, können das Gespräch mit einer Psychologin oder einem Psychologen suchen. Dort kann gemeinsam entschieden werden, ob ein Therapiebedarf besteht oder andere Maßnahmen eingeleitet werden sollten, erklärt Kathrin Bremer. An erster Stelle können Betroffene, die eine Therapie in Betracht ziehen möchten oder vielleicht noch Fragen dazu haben, ihr behandelndes Ärzteteam ansprechen.

Weiterführend bieten die meisten Ambulanzen die Möglichkeit, mit einer Psychologin oder einem Psychologen zu sprechen. „Vorteile wären hier, dass einem das Personal eventuell schon bekannt ist oder dass sich die Therapeutin oder der Therapeut mit Mukoviszidose auskennt“, erklärt Kathrin Bremer. Zusätzlicher Tipp der Psychologin: „Eine Möglichkeit, schnell an einen Therapieplatz zu kommen, bieten oft die Ambulanzen der Ausbildungsinstitute für angehende Psychotherapeuten. Dort erfolgt eine Behandlung immer unter Supervision eines erfahrenen Ausbilders, sodass die Qualität der Therapie in der Regel sehr gut ist.“

Mukoviszidose kann auf vielen Ebenen herausfordernd sein. Wichtig ist, diese Herausforderungen zu akzeptieren, über Gefühle zu sprechen und Fragen zu stellen. Auf diese Weise fällt es leichter, mit schwierigen Phasen der Erkrankung umzugehen und sie zu überstehen.

Tipps von Kathrin Bremer für den Umgang mit psychosozialen Aspekten von CF
  1. Emotionen anerkennen: Seid euch euren Gefühlen – auch den negativen – bewusst und erkennt sie an. 
  2. Fragen stellen: Wenn ihr beispielsweise die Möglichkeit bekommt, eine neue Therapie auszuprobieren, nehmt euch Zeit für alle Fragen, die euch beschäftigen. Trefft die endgültige Entscheidung gemeinsam mit eurem behandelnden CF-Team. 
  3. Resilient werden: Stärkt eure Widerstandsfähigkeit, indem ihr eure Beziehungen pflegt, mit euren Freunden, Familien oder anderen Betroffenen über eure Sorgen und Ängste sprecht und an euch sowie eure Fähigkeiten glaubt. Pflegt euer Wohlbefinden und lebt bewusst.  
  4. Aktive Selbstfürsorge: Das kann in Form von Entspannungstechniken, durch Sport, Spaziergänge oder auch gezielte Ablenkung und Ausleben eines Hobbies passieren. 
  5. Professionelle Hilfe suchen: Hier können Behandlungsmethoden und Ziele individuell gestaltet werden und ihr lernt, aktiv mit euren Gefühlen und den Herausforderungen umzugehen. 
     
Das Gefühl zu haben, nicht allein dazustehen mit dem, was ich fühle und erlebe, ist etwas sehr Wertvolles für mich. Kathrin Bremer

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Quellen
  1. Zentrum für Kinder- und Jugendforschung: Was ist Resilienz. Online verfügbar unter: http://www.resilienz-freiburg.de/index.php/was-ist-resilienz/definition-und-merkmale#:~:text=%E2%80%9EResilienz%E2%80%9C%20stammt%20aus%20dem%20Englischen,Situationen%20umgehen%20zu%20k%C3%B6nnen%20(vgl.&text=Kinder%2C%20die%20sich%20trotz%20dieser,%E2%80 (zuletzt abgerufen am 19.09.2023)
  2. Resilienz Akademie. Resilienz Definition. Online verfügbar unter: https://www.resilienz-akademie.com/resilienz/ (zuletzt abgerufen am 19.09.2023)