Illustration mit verschiedenen Elementen: In der Mitte eine Illu einer Mutter, die ihren Sohn in die Luft hebt, darum ein Wecker, ein Inhaliergerät, ein Buch, Lego-Steine sowie ein Foto der Interviewpartnerin Eva

Familienalltag mit Mukoviszidose – so kann es gelingen!

Mit der Geburt ihres heute siebenjährigen Sohnes ist für Eva ein Traum in Erfüllung gegangen. Ihre Schwangerschaft war keine Selbstverständlichkeit, denn Eva hat Mukoviszidose. Ihre Lebensgeschichte spiegelt Willensstärke und Resilienz auch in schwierigen Phasen wider. Wie sie ihre zeitintensiven Therapien in ihren Familienalltag integriert und trotzdem nie den Mut verliert, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Erstellung des Artikels: Januar 2024

Zystische Fibrose: Sehr hoher Therapieaufwand von Anfang an

Mit 41 Jahren steht Eva mitten im Leben. Die gebürtige Rostockerin hat einen sieben Jahre alten Sohn und lebt mit ihrer kleinen Familie am Rande Berlins. Schon seit sie denken kann, war ihre Lungenfunktion stark eingeschränkt. Lungenentzündungen in den ersten drei Lebensjahren griffen ihr Lungengewebe an. Deshalb muss sie bis heute jeden Tag mehrfach inhalieren, um ihre Lunge zu pflegen. Ihren Therapieaufwand bezeichnet Eva nach wie vor als „unglaublich hoch“. Doch dank ihrer Eltern hat sie seit frühester Jugend eine Routine entwickelt, mit der sie ihre zeitaufwendigen Inhalationen und physiotherapeutische Übungen gut in ihren Familienalltag integrieren kann.

Zystische Fibrose: Frühe Diagnose und sofortige Behandlung können dazu beitragen, den progredienten Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen

    Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt, ist eine genetische Erkrankung, die durch Mutationen im CFTR-Gen verursacht wird. Diese Mutationen führen dazu, dass das CFTR-Protein nicht richtig funktioniert oder nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung steht, was unter anderem zu Problemen in den Zellen der Lunge und der Bauchspeicheldrüse führen kann. Typische Symptome sind zäher Schleim in den Atemwegen, wiederkehrende Infektionen und Verdauungsschwierigkeiten. Es gehört inzwischen zum Neugeborenenscreening, auch auf diese angeborene Multiorganerkrankung zu untersuchen. Ist das Ergebnis auffällig, wird an einem spezialisierten Mukoviszidose-Zentrum eine weiterführende Diagnostik mittels Messung des Schweißchlorid-Wertes vorgenommen.

    Kindheit mit Mukoviszidose in der DDR

    Als Eva 1983 geboren wurde, erkannte zunächst niemand, was dem winzigen Neugeborenen fehlte. Im Alter von drei Monaten wurde bei Eva Mukoviszidose diagnostiziert. Dies war der erste Schritt in die richtige Richtung, um die langfristige Behandlung der Krankheit in die Wege zu leiten. Doch in der damaligen Zeit gab es kaum medizinische Versorgung für dieses Krankheitsbild, es fehlte an allem – an Medikamenten, Therapiemöglichkeiten und Informationen: „Damals hat man immer gesagt, wenn Ihr Kind zehn Jahre alt wird, ist das schon ein Erfolg", erinnert sich Eva. Es gab keine lebenswichtigen Verdauungs-Enzyme, die behandelnde Ärztin verteilte aus dem Westen erhaltene Medikamente unter den Patienten und Patientinnen, was jedoch nie reichte: „Ich war ein Strich in der Landschaft, nur Haut und Knochen“, erzählt Eva. „Wenn ich heute darüber nachdenke, weiß ich nicht, wie meine Eltern das geschafft haben.“ Doch Evas Eltern sorgten dafür, dass sie so normal wie möglich aufwuchs. Ihre Eltern waren aktiv in ihrem Engagement, ihr hilfreiche Angebote zur Verfügung zu stellen. Sie etablierten früh wichtige Routinen, die ihre Therapie mit positiven Erlebnissen verknüpften. „Sie haben mir ungeachtet ihrer Vollbeschäftigung jede freie Minute geschenkt. Morgens um sechs spielten sie Brettspiele mit mir, während ich inhalierte", erinnert sich Eva dankbar.

    Die Rolle der Eltern: Ein starkes Netzwerk im Alltag

      Die Unterstützung durch die Eltern spielt eine entscheidende Rolle im täglichen Leben eines Kindes mit einer chronischen Erkrankung wie Mukoviszidose. Eltern müssen das tägliche Therapiemanagement gewährleisten und gleichzeitig ein Gefühl von Normalität im Familienleben schaffen. Ein gutes Unterstützungsnetzwerk zu etablieren und sich flexibel auf verschiedene Alltagssituationen einzustellen, wird häufig als Schlüssel zur Stressreduktion und zur Schaffung eines entspannten Alltags für Eltern und Kinder betont.

      Ich wollte mich nicht schonen und irgendwelche Grenzen akzeptieren, ich wollte die volle Pulle Leben.

      Eva

      Mutterwerden mit CF – ein Wechselbad der Gefühle

      Durch die Unterstützung ihrer Eltern lernte Eva in ihrer Kindheit, Selbstvertrauen zu entwickeln und auch ein Gefühl von Unbesiegbarkeit. Trotz ständiger Fehlzeiten schaffte sie den Sprung ins Gymnasium: „Ich wollte mich nicht schonen und irgendwelche Grenzen akzeptieren, ich wollte die volle Pulle Leben“, beschreibt sie. Dank der Unterstützung ihrer Eltern konnte sie die Symptome der Krankheit meistern. Und so entschied sich Eva trotz ihrer schwierigen Situation für eine Schwangerschaft: „Mir wurde gesagt, das sei viel zu anstrengend, das schafft du nicht“, erinnert sie sich. Menschen mit CF sollten wegen ihrer gesundheitlichen Herausforderungen und den möglicherweise notwendigen Änderungen ihrer Therapie den Plan, Eltern zu werden, grundsätzlich mit ihrem Behandlungsteam besprechen.

      Mit der Schwangerschaft kamen Existenzängste

      Eva beschreibt diese Lebensphase als eine völlig neue Erfahrung: „Es war mein größter Traum, Mutter zu werden. Aber plötzlich hatte ich Panikattacken, dass ich irgendwann nicht mehr da bin. Das kannte ich von mir nicht. Ich bin relativ angstfrei in mein Leben gezogen und habe immer gedacht: Die Welt wartet auf mich, jetzt geht mein Leben los." Diese plötzliche Konfrontation mit Ängsten und Unsicherheiten war für Eva erschreckend und verwirrend zugleich: „Geholfen hat mit in dieser Phase eine Psychotherapeutin, die nach der Geburt meines Sohnes zusammen mit mir meine Ängste aufgearbeitet hat“, sagt Eva.

      Geholfen hat mit in dieser Phase eine Psychotherapeutin, die nach der Geburt meines Sohnes zusammen mit mir meine Ängste aufgearbeitet hat.

      Eva

      Treue Helfer bei CF – ein gutes Netzwerk und perfekte Organisation

      Die ersten Monate nach der Geburt ihres Sohnes waren für Eva emotional und körperlich besonders herausfordernd. „Ich lag mit 40 Grad Fieber auf der Station, hatte mein Baby auf dem Bauch und war völlig aufgelöst, weil ich dachte: Oh Gott, ich bin so erschöpft. Ich schaffe das alles bestimmt nicht", erzählt sie. Rückblickend hat es einige Zeit gedauert, bis sie gelernt hatte, mit ihren Existenzängsten und Sorgen umzugehen und gleichzeitig die Freuden ihrer Mutterschaft zu genießen.

      Dabei stand auch ihr Partner an ihrer Seite und übernahm jede zweite Nacht die Betreuung des Babys. Aber die Anstrengung war dennoch immens – emotional und körperlich. „Meine Lungenfunktion lag damals bei 45 % und ist infolge vieler Infekte und der anhaltenden Schlaflosigkeit auf 38 % runtergegangen“, berichtet Eva. Der zähe Schleim in ihren Atemwegen verursachte chronische Probleme. Den Durchbruch brachte eine neue Behandlungsoption, als ihr kleiner Sohn vier Jahre alt war. Die Euphorie war grenzenlos, als ihre Werte plötzlich wieder auf 58 % FEV1 stiegen.

      Familienalltag mit CF und Achtsamkeit

      Inzwischen hat sich Evas Alltag normalisiert, seit einem Jahr arbeitet sie sogar stundenweise wieder im öffentlichen Dienst. „Mein Partner und ich sind ein eingespieltes Team“, sagt sie dankbar und hebt hervor, wie entspannt der Alltag nun ist. Ihren Wecker stellt sie auf 5:30 Uhr, um eine Stunde Zeit für ihre Inhalation zu haben. Dann weckt sie ihren Sohn, bereitet Frühstück und Pausenbrote vor, während er aufsteht. Die zunehmende Selbstständigkeit des Kindes ist eine große Entlastung für alle. Ihr Partner räumt die Küche auf und bringt den Sohn in die Schule, während sie zum zweiten Mal ihre Therapie macht. Solche Situationen erfordern Gelassenheit und Organisation im Familienalltag. Ihr Partner holt den Sohn auch vom Fußball ab, wenn Eva nachmittags ihre Ambulanz-Termine wahrnehmen muss. Mehrfach im Jahr muss sie ins Krankenhaus für eine Antibiotika-Therapie. Was sie deswegen besonders genießt? Die späten Nachmittags- oder frühen Abendstunden, wenn die Mama-Sohn-Zeit anbricht: „Dann spielen wir Lego oder er zeigt mir seine Pokémon-Karten“, freut sie sich.

      Und auch mit sich selbst geht Eva achtsam um: Sie hat gelernt, kleine Auszeiten in ihren Alltag einzubauen, sei es durch Klavierspielen, Lesen oder Spaziergänge im Wald. Solche Auszeiten helfen ihr, gelassen zu bleiben und Stress abzubauen. Ein erfülltes Leben als Mutter mit Mukoviszidose erfordert eine klare Planung, Disziplin und ein starkes Unterstützungsnetzwerk – aber die Belohnung dafür ist unermesslich.

      Lasst euch die Freude an eurer Mutterschaft gerade in der Anfangszeit nicht durch Ängste nehmen.

      Eva

      Evas 5 persönliche Tipps für werdende Eltern mit Mukoviszidose
        • Eine feste Tagesroutine für Inhalationen und Therapie etablieren: Eine solche Struktur ist der Grundstein und hilft ungemein, den notwendigen Therapieaufwand und die Symptome der Erkrankung zu bewältigen.
        • Unterstützungsnetzwerk aufbauen: „Von Anfang an schauen, dass man eingebettet ist, dass man in einer Nachbarschaft wohnt, wo vielleicht auch andere Familien mit Kindern leben", rät sie.
        • Professionelle Hilfe holen: Therapien und Medikamente können Betroffenen helfen, ihre Symptome zu kontrollieren und ihren Alltag besser zu gestalten. Eva und ihr Partner nutzten Erziehungs- und Beratungshilfen, um persönliche Krisensituationen zu überwinden, ihre Beziehung zu stärken und besser mit den Herausforderungen umzugehen.
        • Starkes Behandlungsteam: Eva pflegt ein enges Verhältnis zu ihrem medizinischen Team: „Das ist wie eine große Familie, auf die man zurückgreift, wenn es bei einem gesundheitlich gerade überhaupt nicht gut läuft. Das Behandlungsteam bietet allumfassende Angebote an, von der Ernährung bis zur psychosozialen Komponente – mein Behandlungsteam hat mich immer gut begleitet und in klinisch schwierigen Situationen aufgefangen. Und das ist natürlich sehr viel wert."
        • Positiv und kraftvoll mit Herausforderungen umgehen: Rückblickend bedauert Eva, dass ihre Ängste ihr einen Teil der Freude an den ersten Jahren als Mutter genommen haben. Anderen Menschen mit Mukoviszidose rät sie: „Lasst euch die Freude an eurer Mutterschaft gerade in der Anfangszeit nicht durch Ängste nehmen.“

        DE-02-2500010