Illustration einer Ärztin, welche ein Baby mit einem Stethoskop untersucht. Es ist außerdem eine Denkblase abgebildet mit einer Zelle.

Die Ursache der Mukoviszidose liegt im CFTR-Protein – aber was ist das eigentlich?

Wer mit der Diagnose Mukoviszidose (zystische Fibrose, CF) konfrontiert wird, hört früher oder später unweigerlich vom CFTR-Protein. CFTR steht für Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator, ein Eiweiß, das bei Mukoviszidose entweder nicht vorhanden ist oder nicht richtig funktioniert. Kinderarzt Dr. Simon Gräber von der Charité erklärt, was es damit auf sich hat und warum es so wichtig ist.

Erstellung des Artikels: Oktober 2024

Der Auslöser der CF ist ein defektes Protein namens CFTR, welches in epithelialen Organen vorkommt. Epitheliale Organe sind Organe, die über eine Haut oder Schleimhaut verfügen. Normalerweise sorgt dieses Protein dafür, dass in unseren Zellen ein ausgeglichener Salz- und Wasserhaushalt herrscht. Funktioniert es nicht richtig, führt dies zu einer Bildung von zähem Schleim, unter anderem in der Lunge. Er macht es den Betroffenen schwer zu atmen und begünstigt Infektionen in den Atemwegen. Das seien die Hauptprobleme bei Mukoviszidose, erklärt Dr. Gräber. Neben Lunge und Atemwegen komme das CFTR-Protein unter anderem im Darm, im Pankreas, in der Leber und in den Schweißdrüsen vor. 

Das CFTR-Protein reguliere als Kanal in der Zellmembran den Fluss von Chlorid- und Bicarbonat-Ionen aus und in die Zellen, sagt Dr. Gräber. Dies spiele eine wichtige Rolle für die Schleimbildung und die Aufrechterhaltung eines Schleimfilms in den Atemwegen.

„Man kann sich das CFTR-Protein im Prinzip wie eine Röhre vorstellen, die sich öffnet, wenn sie aktiviert wird und dann die Chlorid- oder Bicarbonat-Ionen durchströmen lässt“, erklärt Dr. Gräber.

Warum ist das CFTR-Protein so wichtig?

„Wenn Chlorid in die Atemwege übertritt, strömt das Wasser nach und befeuchtet die Atemwegsschleimhaut“, so Dr. Gräber. Das CFTR-Protein sorge also dafür, dass der Schleim in den Atemwegen flüssig genug ist, dass ihn die beweglichen Flimmerhärchen (Zilien) gut aus dem Körper entfernen können und mit ihm auch Bakterien oder andere krankmachende Stoffe. Ähnliches spiele sich im Verdauungssystem des Menschen ab, sagt Dr. Gräber: „Auch hier funktioniert die Regulation des Schleimfilms über das CFTR-Protein. In den Verdauungsorganen ist das aber nicht ganz so kritisch.“ Eine eingeschränkte CFTR-Funktion könnte beispielsweise akute Verstopfungen wie beim distalen intestinalen Obstruktionssyndrom (DIOS) auslösen.

Was passiert, wenn das CFTR-Protein nicht richtig funktioniert?

„In den Atemwegen ist es so: Wenn der CFTR-Kanal nicht funktioniert und keine Chlorid-Ionen in die Atemwege transportiert werden, strömt kein Wasser hinterher. Das führt zu einer Austrocknung des Schleims in den Atemwegen und die Zilien können nicht mehr so gut schlagen“, verdeutlicht Dr. Gräber das Problem. „Es bildet sich eine zähe Schleimschicht, die die Zilien umschließt. In dieser Schleimschicht können sich Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa ansiedeln und zu einer chronischen Entzündung führen." Sehr wahrscheinlich führe die erhöhte und veränderte Schleimproduktion in den Atemwegen aber auch ohne diese Bakterien schon zu einer Entzündung, die dann noch mehr Schleim produziert. „So entsteht ein Teufelskreis, der immer weiter geht.“

CFTR und Mukoviszidose

Es gibt mehr als 2000 bekannte Mutationen im CFTR-Gen, das den Bauplan für das CFTR-Protein enthält. Etwa die Hälfte dieser Gen-Varianten können die Krankheit Mukoviszidose auslösen, wenn sie sowohl von der Mutter als auch vom Vater vererbt werden. „Durch die Vielzahl der Mutationen kommt es auch zu unterschiedlichen Ausprägungen der Erkrankung. Bei der häufigsten Form der Mukoviszidose wird kein oder kaum ein funktionsfähiges Protein produziert“, erläutert Dr. Gräber. Es gebe aber auch Menschen mit zystischer Fibrose, deren CFTR-Proteine zumindest ein bisschen funktionieren. Sie wiesen eine Restfunktion auf.

Wie werden Störungen der CFTR-Funktion nachgewiesen?

Die klassische Methode zur Messung der CFTR-Funktion ist der Schweißtest, da das CFTR-Protein auch in den Schweißdrüsen vorkommt und hier die Salzkonzentration des Schweißes reguliert. Dazu werde zunächst die Schweißproduktion mit einem Medikament stimuliert und dann der Chloridgehalt, also der Salzgehalt im Schweiß, gemessen, erklärt Dr. Gräber. „Normalerweise wird das Chlorid durch die Schweißdrüse wieder in den Körper zurückgeholt, damit wir nicht unser ganzes Salz ausschwitzen.“ Bei Betroffenen mit Mukoviszidose funktioniere das nicht richtig, ihr Schweiß sei deshalb deutlich salziger und daran könne man indirekt die Funktion des CFTR-Proteins messen. Je niedriger der gemessene Schweißchloridwert sei, desto besser funktioniere das CFTR-Protein und desto besser ginge es den von Mukoviszidose Betroffenen langfristig.

Die Auswirkungen eines hohen Schweißchloridwertes ließen sich vor allem im Sommer gut beobachten, so der Kinderarzt. „Die Patientinnen und Patienten haben an heißen Tagen oft eine richtige Salzkruste auf der Haut und ihr Körper verliert sehr viel Salz, das sie mit der Nahrung wieder aufnehmen müssen.“ Ältere Kinder und Erwachsene hätten eine Art „Salzdurst“ und salzten instinktiv ihre Speisen stärker. „Bei ganz kleinen Kindern funktioniert das so nicht. Deshalb kann es sinnvoll sein, ihnen an heißen Tagen Kochsalzlösungen zu trinken zu geben.“

Vom CFTR-Protein zur Entwicklung neuer Therapien

Die Grundlage für die moderne Behandlung der Mukoviszidose sei die Entdeckung des CFTR-Gens als Ursache der Mukoviszidose im Jahr 1989 gewesen, erklärt Dr. Gräber. „Seit der Entdeckung des CFTR-Gens haben wir dafür viel über das CFTR-Protein gelernt und verstanden, wie dieser Kanal funktioniert, welche Folgen die verschiedenen genetischen Varianten im Einzelnen haben und wie Medikamente in diese Funktion eingreifen können.“

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